Taizé - eine Bewegung mit Folgen

Seit einigen Jahren schon finden in einigen unserer Ulmer Kirchengemeinden regelmäßige Abendgebete statt nach der Form von Taizé. Manch einer wird sich nach wie vor fragen, was es mit diesem Namen "Taizé" auf sich hat.
Ein kleines Dorf in Burgund steckt dahinter. Dort auf einem Hügel, unter dem der TGV" rasant vorbei pfeift, hat sich eine Bruderschaft für ein eindeutig ruhigeres Tempo entschieden: Gegründet 1940 von dem Schweizer Protestanten Roger Schütz als Zufluchtstätte für Verfolgte des Naziregimes, hat sich die Bruderschaft von inzwischen über 90 Männern der Aufgabe verschrieben, sich für Frieden und Versöhnung einzusetzen unter Christen aller Konfessionen und unter den Völkern.
Mittlerweile hat sich die ,,Communauté de Taizé' zum Treffpunkt junger Christen aus aller Welt entwickelt. Das Gelände fasst bis zu 6000 Gäste in einfachen Unterkünften, Baracken und Zelten. So einfach auch Unterkunft und Verpflegung sind, alle fühlen sich dort wohl.
Das gemeinsame Singen und Beten in der großen, von hunderten kleiner Kerzenlichter stimmungsvoll gestalteten Kirche drei Mal täglich strukturiert den Tag. Typisch für die einfachen Gesänge mit Textzeilen in verschiedenen Sprachen ist das meditative minutenlange Wiederholen der Melodien. Sie bilden den Rahmen der Gottesdienste in Taizé, die hinführen wollen zu innerer Ruhe, Stille und Anbetung.
Genauso wichtig wie die Feier der Gottesdienste ist die Bewältigung des Alltags, wie zum Beispiel die gemeinsamen Mahlzeiten so vieler Menschen: In langen Schlangen steht man an mit seinem Plastikteller, um sich aus großen Bottichen an einem Tag einen Schlag Kartoffelbrei und eine dicke Schinkenscheibe abzuholen. Zum Nachtisch gibt es ein französisches Biskuit. Von allem ist genügend da und auch der Tee reicht immer für alle. Nach dem Essen sind die Küchendienste gefragt. In Gruppen wird gespült und abgetrocknet - meist mit viel Gelächter. Immer ist ein Spaßvogel dabei, der die anderen nass spritzt oder einen neuen Weltrekord aufstellen will im Tellerwaschen.
Meist sind die Jugendlichen aus aller Welt ein bis zwei Wochen lang Gäste in Taizé. Einzelne können auch für ein Jahr bleiben und in der Kommunität mitarbeiten: In der Gästeverwaltung, in der Hauswirtschaft oder im handwerklichen Bereich. Die Gespräche miteinander über die Bibel unter Anleitung einzelner Brüder fügen die jungen Leute zu einer internationalen Gemeinde zusammen. Die verschiedenen Glaubens- und Lebenserfahrungen in den Herkunftsländern werden ausgetauscht. So ist die Zeit in Taizé für Viele eine große Bereicherung und Anregung für den Alltag zu Hause.
Deutlich wird am Leben und Arbeiten der Brüder, dass das Vertrauen des Glaubens und die Gemeinschaft mit Christus nicht zum Rückzug in unser Selbst aufruft, sondern sie ermutigen zum verantwortlichen Handeln unseren Mitmenschen gegenüber. Das Evangelium weist hier konkrete Wege, meint Fröre Roger. Ein Weg führe zu Gesten des einfachen Teilens, ein anderer zur Anstrengung aller Kräfte, um dem Hass den Nährboden zu entziehen. ,Menschliches Leiden zu lindern ist ein Grundauftrag des Evangeliums, schreibt er in einem Rundbrief aus Taizé - und diesen Auftrag gibt er auch all den Jugendlichen mit, die nach einer Zeit des Lebens mit den Brüdern hoffentlich gestärkt und ermutigt wieder zurück fahren in ihre Heimatorte. Manch ein Taizé-Besucher bietet seitdem in seiner Gemeinde Abendgebete an, die sich an der Gottesdienstform von Taizé orientieren: An Texten nur ein Psalm und ein kurzes Bibelwort, dafür sehr viel Gesang und Raum für Stille und Gebet. Auch die äußere Form ist dabei aufgenommen. Orientiert am Altar, der geschmückt ist mit vielen Lichtern, knien die jungen Menschen auf Gebetsschemeln, oft selbst gefertigt, andere sitzen lieber etwas abseits auf den Kirchenbänken oder -stühlen, und geben sich im Gesang den einfachen und heiteren Melodien aus der Liederwerkstatt von Taizé hin. Vertrauen, Offenheit und unbeschwerte Heiterkeit prägen dieses Liedgut, das längst schon in unseren Kirchengemeinden, ja sogar im neuen Evangelischen Gesangbuch Einzug gehalten hat. In der Stille, die in Gemeinschaft erfahren wird und im gemeinsamen Gebet, liegen Kraft und Gottes Segen. So empfinden es die Gottesdienstbesucher. Meist sind es junge Leute, die das Abendgebet nach Taizé in Anspruch nehmen, doch offen ist es für alle.
Im November letzten Jahres fanden viele hundert Menschen den Weg ins Münster zur ,,Taizé-Nacht", die eine Gruppe Jugendlicher vorbereitet hatte. Auch in diesem Jahr findet so ein Gottesdienst statt (siehe unten).
"Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." Diese Verheißung lässt uns aufbrechen - miteinander und zueinander.

Sabine Kuch, Diakonin

Bild:privat

Zum Abendgebet nach Taize-Liturgie laden folgende Kirchengemeinden ein:
Evangelische Paulusgemeinde Ulm, donnerstags l8.30 Uhr
Ansprechpartnerin Sabine Kuch Telefon 66513
Evangelische Christusgemeinde Söflingen, freitags 19.00 Uhr
Ansprechpartnerin Annemarie Stampa Telefon 3ß31 7ß
Taize-Nacht im Münster, Donnerstag, 29. November 2001
Ansprechpartner Horst Wallentin Telefon 267704 (Mitarbeiter sind willkommen)
Fahrten nach Taize an Ostern
Ansprechpartner Horst Wallentin