Spätheimkehrer hießen jene bedauernswerten Gefangenen, die erst viele Jahre nach dem Krieg heimkehren durften. "Spätheimkehrer" könnte man Ulmer Theologen nennen, die anderswo Karriere machten und als Ruheständler nach Ulm heimkehren. Astrid Eisenreich ist eine Früh-Heimkehrerin. Ohne Anführungszeichen. Aufgewachsen ist die Pfarrerin der Söflinger Christuskirche in Murrhardt. Doch Ulm ist die erste Stadt, ,,für die ich ein richtiges Heimatgefühl entwickelt habe", gesteht die 41 jährige nachdenklich. 1988 kam sie als Pfarrvikarin ans Münster, blieb drei Jahre und ging für zehn Jahre dahin, wo die Blau herkommt. Also nicht weit von Ulm weg -.
Ihre Eltern waren christlich gesinnt. Der Wunsch, dereinst auf der Kanzel zu stehen, wuchs jedoch woanders. Nach sehr positiver Konfirmandenzeit stieg sie in die Jugendarbeit ein: Jungschar leiten, Teestube... Und dann viele Fragen nach Gott und der Welt schon in der Schulzeit: Warum lässt Gott zu, dass junge Menschen allzu früh sterben müssen? Nach dem Abitur Antwort auf manche Fragen in Heidelberg, Göttingen und Tübingen. Ausbildungsvikariat in Lorch-Waldhausen .,,Was machen Sie am liebsten? "Gottesdienst und Seelsorge erwidert sie spontan. Predigt- und Familien-Gottesdienst möchte sie gern ergänzen mit meditativen Elementen. In Blaubeuren erlebte ich, wie sie behutsam sakrale Tänze mit einbezog in den Stadt-kirchen-Gottesdienst. "In Klöstern und Tagungshäusern gibt es gute Seminare (die nicht billig sind). Ja aber auch hier sollte es im Alltag für alle Raum geben (und das sind nicht wenige), die nach spirituellen Angeboten suchen."
Frau Eisenreich wünscht sich Menschen, die mit ihr und anderen zusammen still werden und feiern. Es sollte nicht der Esoterik vorbehalten bleiben, Bedürfnisse nach spirituellem Leben, nach der Einheit von Leib und Seele Raum zu geben. Ein wesentliches Motiv für ihre Berufswahl war, mit Menschen zu arbeiten und zu leben. Sie hat kein Konzept mitgebracht, als sie am 1. Juni in Söflingen-Ost einstieg. Zu ihren Schwerpunkten gehört indes auch die Sozialdiakonie - auf deutsch: ,,Ich möchte, dass wir Lasten gemeinsam tragen - für andre da sind." Sie kümmert sich um Kinderkirche und Sozialstation in ganz Söflingen, hat in Blaubeuren eine Hospizgruppe aufgebaut und sagt zur Ulmer Vesperkirche genauso ja wie zu einem möglichen Kirchenasyl für unerwünschte Mitmenschen. Volkskirche sollte modellhaft gelebt werden, meint sie. Dazu gehöre, ungelösten Fragen nicht auszuweichen und konkreten Nöten eine öffentliche Stimme zu geben.
Sehr erfreut ist die Neu-Söflingerin über die große Schar der Ehrenamtlichen und die vielfältige Gemeindearbeit. Sie sei in dieses ,,Orchester" eingestiegen, spiele erst mal mit - nicht gleich die erste Geige - und höre gut zu... Ihre Freizeit ist bestimmt von ihrer großen Liebe zur Natur. Wandern, Rad- und Skifahren. Draußen sein...
Heinz Görlich