Urlaub - heilige Zeit

Ein kleiner Junge liegt vergnügt im Gras. Die Augen geschlossen, ein verschmitztes Lachen, den Kopf entspannt auf die rechte Hand gestützt. Er genießt den Augenblick, genießt die Ruhe, die Wiese, die Sonnenstrahlen. Er hat Zeit, viel Zeit, so scheint es.
Wenn ich mir ein Idealbild für Ruhe und Ausspannen ausdenken müsste, dann würde es so aussehen wie dieses Bild.

Bub

"Aktiv"-Urlaub
Nun ist sie für viele wieder gekommen: die "schönste Zeit des Jahres", der Urlaub. Viele werden wieder wegfahren oder wegfliegen, werden sich andere Länder und Kulturen ansehen und mit einer großen Menge an Eindrücken und Erinnerungsfotos zurückkommen. Manch einer kehrt vom Urlaub ganz gestresst heim: "Es war wunderschön, aber anstrengend! Wir haben ein volles Programm gehabt - und haben noch lange nicht alles gesehen ... !"

So oder so ähnlich hört man es im Herbst immer wieder. Bildungs-Reisen, AktivUrlaub und Adventure-Urlaub liegen voll im Trend. "Mit uns erleben sie was..." verspricht die Reise-Werbung.

Urlaub -
Zeit zum Ausspannen

Wenn ich meinen Urlaubsantrag ausfülle, stolpere ich immer wieder über die Formulierung "Antrag auf Erholungsurlaub".
Erholungsurlaub - Urlaub ist die Zeit, in der ich mich ausruhen und ausspannen kann. Einfach Körper und Seele baumeln und von der Sonne bescheinen lassen. Aber wie oft gelingt das?

Ruhelosigkeit -
Zeichen der Zeit

Nicht nur beim Wegfahren, auch wenn man zuhause bleibt, findet sich in der freien Zeit immer etwas zu tun. Schon die Sprache verrät es: Wir sprechen davon, dass wir Urlaub "machen". Und manch einer muss sich dann erst vom "gemachten" Urlaub erholen.
Viele Menschen sind heute von Ruhelosigkeit geschlagen wie von einer Krankheit.

Am siebten Tag sollst du ruhen
Die Menschen des alten Israel wussten um die Notwendigkeit des Ausspannens. Nach getaner Arbeit muss eine Ruhepause erfolgen.
Die Sieben-Tage-Woche mit dem Sabbat - beziehungsweise bei uns dem Sonntag - als Ruhetag ist zweifellos eine der größten sozialen Errungenschaften der jüdisch-christlichen Religion. Nach sechs Tagen Arbeit soll ein Tag zum Regenerieren frei bleiben.
Die Schöpfungsgeschichte am Anfang der Bibel erzählt sogar von Gott, dass er am siebten Tage ruhte, nachdem er in sechs Tagen die Welt erschaffen hatte.

Ruhe für die ganze Schöpfung
Im Israel der Königszeit sollten sogar die Felder im siebten Jahr brach bleiben, nachdem sie sechs Jahre Frucht geben mussten. Selbst das Land sollte so eine Ruhepause haben. Für die lsraeliten war es ja heiliges Land, das von Gott verheißen und geschenkt wurde.

Der fromme Jude darf am Sabbat nicht einmal kleinste Arbeiten verrichten. So hoch wird dort die Ruhe eingeschätzt. Die Ruhe ist "heilig". In dieser heiligen Ruhe soll sich die ganze Schöpfung erholen können.

Flexible Arbeitszeiten
Wie halten wir es heute mit der heiligen Ruhe, etwa am Sonntag ? Längst ist schleichend die Sonntagsruhe immer weiter abgeschafft worden. Der Bäcker bäckt frische Wecken am Sonntag. Immer mehr Betriebe dürfen Sonderschichten auch am Sonntag fahren. Alles wird mit den Zwängen des Marktes begründet. Zeit zum Regenerieren, Zeit für die Familie muss heute ökonomischen Zwängen weichen.

Freizeitstress im Urlaub
Aber auch im Urlaub haben es inzwischen viele verlernt, Muße einkehren zu lassen. Immer noch weiter entfernt müssen die Ziele sein. Immer noch mehr Eindrücke werden in die "schönsten Wochen des Jahres" hineingepresst. Immer noch größere Leistungen werden Körper und Geist abverlangt. Am Ende muss sich manch einer erst einmal von seinem Urlaubsprogramm erholen, weil es zu voll gepackt war. Warum tun wir das eigentlich?

Festzeit ist heilige Zeit
An den alten Sabbatregeln des Judentums lerne ich: Der Mensch braucht"heilige Zeiten". Zeiten, in denen er nicht eingespannt ist in das Räderwerk der Betriebsamkeit. Zeiten, in denen das "Da-Sein" an sich, das Leben an sich gefeiert wird. Der Mensch ist weit mehr als seine Arbeit und mehr als das, was er erlebt...
Er weist mit seiner Person, mit seinem Da-Sein und So-Sein schon über sich selbst hinaus. Im Räderwerk der Arbeit kann das nicht zur Geltung kommen. Dazu ist Festzeit nötig. Festzeit, die den Alltag unterbricht. Nur dann kann das Leben in seiner Gänze in den Blick genommen werden. Nur dann, wenn ich selbst entspannt bin, kann ich mich auch wirklich dem Andern zuwenden und Gemeinschaft erleben.

Zeit fürs Wesentliche
Ausruhen und gemeinsam Feiern gehören darum ganz wesentlich zum christlichen Bild vom Menschen hinzu. In der arbeits- und erlebnisfrelen Zeit kann sich der Mensch aufs das Wesentliche konzentrieren: Ziele für das eigene Leben; Beziehungen, die für einen wichtig sind. Nachdenken über den Sinn und Auftrag des Lebens. In all diesen Fragen wird auch der Glaube eine wichtige Rolle spielen.

Vielleicht laufen ja die, die sich keine Ruhepause gönnen, vor diesen Fragen davon. Ob dann am Ende des Urlaubs wirklich Erholung eintreten wird?

Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Urlaub und festliche Sonntage.

Ihr Tobias Praetorius
Pfarrer in NU-Offenhausen

Bild: privat