sei es, sagte eine Besucherin beim Tag der Offenen Tür, mit dem
am 31. März 2001 das HOSPIZ AGATHE STREICHER eröffnet wurde.
In der Tat, von den blumenbepflanzten Balkonen unter dem
Markisenschatten blicken unsere Gäste über die Dächer des St.
Anna-Stifts und seiner Nachbarhäuser auf die Türme der St.
Georgskirche und des Ulmer Münsters.
Wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von HOSPIZ UND
SITZWACHE ULM e.V. sind glücklich, dass wir im St.-Anna-Stift
diesen Platz gefunden haben, mitten in der Stadt, beschützend
frankiert von den Kirchen beider Konfessionen. Hospizarbeit
gehört mitten ins Leben, mitten in den Alltag. Es ist unser
erklärtes Ziel, Tod und Sterben nicht aus den Gedanken und
Erfahrungen auszugrenzen, sondern als Teil des Lebens zu
verstehen und dies in unserer Gesellschaft deutlich zu machen.
So ist und bleibt unser wichtigstes Anliegen, mitzuhelfen, dass
Menschen zu Hause sterben können, da wo sie gelebt haben,
zwischen den vertrauten Dingen, begleitet von ihren Angehörigen
und Freunden; und wenn das Zuhause eine stationäre
Pflegeeinrichtung ist, so sind wir als Sitzwachen des Nachts zur
Stelle, am Bett Sterbender und ihrer Zimmergenossen.
Viel Phantasie und Kreativität sind in den zurückliegenden neun
Ulmer Hospizjahren dafür aufgewendet worden in tausenden
ehrenamtlich erbrachten Stunden am Tage und in der Nacht.
Freilich sind wir dabei an Grenzen gekommen, denn es hat sich
gezeigt, dass wir ein Ersatz-Zuhause brauchen für solche
sterbenden Menschen, die ohne Familie leben, oder deren
Angehörige und Freunde trotz der Unterstützung von Hospiz und
anderen ambulanten Diensten an die Grenze ihrer Belastbarkeit
kommen.
Eine komplett eingerichtete Pflegestation mit sechs Betten hat
uns das St.-AnnaStift für drei Jahre - ohne Eigengewinn
vermietet. Ein Förderverein hat sich gebildet, dem die Stadt
Ulm, der Alb-DonauKreis, der Landkreis Neu-Ulm, die Uni-
Klinik, die katholische Gesamtkirchengemeinde und der evang.
Diakonieverband Ulm/Alb-Donau angehören, um das finanzielle
Risiko in Grenzen zu halten. Das ist eine wunderbare Chance,
zu erproben, welcher Bedarf in unserer Region besteht und wie
das Angebot angenommen wird.
Die ersten zwei Monate zeigen schon: Das HOSPIZ AGATHE
STREICHER wird gebraucht. Für die Aufnahme gibt es
Regeln, die mit den Kranken- und Pflegekassen vereinbart sind:
Menschen mit unheilbaren Erkrankungen, deren Lebenserwartung
höchstens noch sechs Monate beträgt. Sie sollen bei uns einen
Ort der Geborgenheit finden, wo sie aufs Beste gepflegt werden,
wo Hausärzte und Ärzte einer onkologischen Fachpraxis für
Schmerztherapie und die Therapie anderer quälender Symptome
sorgen (Palliativmedizin), und wo dem Pflegeteam ehrenamtliche
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von HOSPIZ UND SITZWACHE ULM
zur Seite stehen. Sie haben Zeit für Gespräch und für Stille,
sind für die Gäste und ihre Angehörigen da, achten auf
Bedürfnisse und Wünsche...
Viermal schon mussten wir Abschied nehmen. Wir spüren, dass wir
mit den Gästen und ihren Familien zusammengewachsen sind.
Eine Kerze brennt dann vor der Tür. Ihre stille Botschaft:
"Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter. Menschen,
die aus der Liebe leben, sehen tiefer. Menschen, die aus dem
Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht"
(Lothar Zenetti).
Trägerverein:
HOSPIZ UND SITZWACHE ULM e.V.
Jahresbeitrag 60 DM
Förderverein:
HOSPIZ AGATHE STREICHER e.V.
Jahresbeitrag für Einzelpersonen 60 DM
Auskunft:
Hospizbüro Zeitblomstraße 27
Telefon 6 66 22
Im "Internationalen Freiwilligenjahr" der UNO steht
die ehrenamtlich geleistete Freiwilligenarbeit im Mittelpunkt
der öffentlichen Aufmerksamkeit und damit selbstverständlich
auch die Hospizarbeit. Sie hat es jedoch besonders schwer denn
sie hat es mit Sterben und Tod zu tun, Themen, die gern
verdrängt werden. Ich höre schon im Geiste die Frage:
"Wozu brauchen wir eine Hospizarbeit?"
in den vielen neuen Werkausgaben anlässlich des Bachjubitäums
2000 findet sich auch zu diesem Thema eine Kantate:
"Liebster Gott, wann werd ich sterben" (BWV 8).
Der Textdichter von 1724 stellt dort die Frage nach dem "wann".
Das "wo" und das "wie" ist ihm also kein
Thema. Wahrscheinlich setzt er voraus: Zuhause und umgeben von
zahlreichen Familienangehörigen, mit dem Hausarzt im
Hintergrund. Man spürt aus Bildern dieser Zeit: Das Sterben
wurde erlebt, als selbstverständlicher Teil des Lebens,
einschließlich Leid und Trauer der Hinterbliebenen.
Wo wird bei uns heute gestorben ? Im Krankenhaus oder im
Altenheim, jedenfalls in fremder Umgebung, in der es auch dem
Gesunden oder dem Jüngeren schon schwer fällt sich wohl zu
fühlen. Vielleicht auch noch zuhause, wenn denn noch
Angehörige in der Nähe sind.
Und wie? Einsam, trostlos oder betreut, umsorgt und getröstet?
Wer nicht zu Sekten gerichtet ist und noch Verbindung zu seiner
Religion oder Kirche hat, kann dort immer noch den seelischen
Trost finden, den die großen Religionen dieser Weit für
Sterben, Tod und Trauer bereit halten, ob ein Mensch seine
letzten Tage in einer Klinik, in einem Altenheim oder in einer
stationären Pflegeeinrichtung verbringt. Wer diesen Anschluss
verloren oder aufgegeben hat, muss dennoch nicht verzweifeln.
Für ihn greift helfend, tröstend, begleitend die Hospizarbeit
ein. In einem Satz, der im lntemet unter der
Kapitelüberschrift
"Konzeption" zu finden war
(www.hospiz-ulm.de),
wird das Anliegen der Hospizarbeit einprägsam so beschrieben:
"sich dafür
einzusetzen, dass Menschen ein liebevoll
begleitetes, möglichst schmerzfreies
Sterben in Ruhe und Würde zu
Hause oder
in einer vertrauten persönlichen Umgebung
erleben können".
Zurück zu Bachs Kantate: Der Komponist hat weder eine
Trauermusik geschaffen noch eine Atmosphäre des Klagens oder
vordergründigen Bedauerns beschworen. Entstanden ist eine
Musik, die bei der Sterbebegleitung helfen kann, selbst ohne
das gesprochene Wort.
ep
Bilder: privat