Priszilla, Handwerkerin, Christin der Urgemeinde -
oder von der Mobilität einer Missionarin in den Anfängen der Kirche

Von Rom nach Korinth
Die Apostelgeschichte des Lukas (Kapitel 18) berichtet von einer Frau mit Namen Priszilla (oder Priska) und ihrem Mann Aquila, die sich vom Evangelium bewegen und begeistern lassen.
Priszilla und Aquila verdienen ihren Lebensunterhalt als Zeltmacher - ein Beruf, der harte körperliche Arbeit erfordert. Zunächst leben sie in Rom, der damaligen Welthauptstadt des römischen Reiches. Doch dann sind sie gezwungen aufgrund eines kaiserlichen Ediktes Rom zu verlassen. Es ist Kaiser Claudius, der im Jahre 49 nach Chr. alle Juden und Judenchristen aus der Stadt Rom weisen lässt. Aus Rom vertrieben - ist ihre nächste Station die Stadt Korinth in Griechenland.
Ob Priszilla und Aquila schon in Rom Kontakt mit Judenchristen gehabt haben? Ob sie schon dort von Jesus Christus gehört haben? - Das ist wahrscheinlich, denn Paulus, der sich auf seiner zweiten Missionsreise befindet, geht sogleich in ihr Haus, nachdem er in Korinth angekommen ist. Da auch Paulus von Beruf Zeltmacher ist, schließt er sich Aquila und Priszilla an. Er arbeitet und wohnt bei ihnen.
Daraus entsteht eine ganz besondere Beziehung - sie verdienen gemeinsam ihren Lebensunterhalt durch ihre körperliche Arbeit. Und Paulus verkündigt ihnen das Evangelium von Jesus Christus! Wie eindrücklich muß diese Begegnung für Priszilla und Aquila gewesen sein, wie nachhaltig müssen die tiefen theologischen Gespräche in ihnen gewirkt haben!

Von Korinth nach Ephesus
Denn als Paulus die Stadt verlässt, um nach Ephesus zu gehen, wird er von Priszilla und Aquila begleitet. Hier blüht nun auf, was in der vergangenen Zeit gewachsen ist. Ihr Haus wird der Ort, an dem sich die christliche Gemeinde versammelt. Eines Tages kommt ein gebildeter Mann namens Apollos aus Alexandria in die Stadt und protigt in der Synagoge. Wir lesen dazu den interessanten Satz in der Apostelgeschichte 18, 26: "Als ihn Aquila und Priszilla hörten, nahmen sie ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes noch genauer aus." (Im griechischen Urtext wird Priszilla hier zuerst genannt!)
Priszilla Erstaunlich daran ist, wie die Handwerkerin Priszilla gemeinsam mit ihrem Mann zur "Lehrerin" eines gebildeten Mannes wird. Das zeigt, in welch hohem Maß sie fähig ist, in theologischen Fragen - in Glaubensfragen - Rede und Antwort zu geben.
Mehr noch: Sie wird sogar in den meisten Bibelstellen im griechischen Urtext an erster Stelle genannt - vor ihrem Mann - ganz entgegen der Sitte der damaligen Zeit (Agp 18,18.26; Röm 16, 3 - 5; 2. Tim 4,19).
Dadurch wird hervorgehoben, weich große Bedeutung diese Frau in der urchristlichen Mission innehat!
Und noch ein weiteres ist hier so bedeutsam: Die Handwerkerin wird zur Missionarin des gelehrten Mannes aus der damaligen Welthauptstadt Alexandria - der Stadt der Philosophie und Bildung. Und Apollos lässt es zu und anerkennt sie somit!
Hier scheint das Evangelium mit seiner ganzen Strahlkraft hervor, mit seiner ganzen befreienden Kraft. Hier werden auch wir Menschen des 21. Jahrhunderts von Priszilla angesprochen und ermutigt: Im Glauben an Jesus Christus werden alle Schranken niedergerissen zwischen Rasse und Nationalität, zwischen Beruf und sozialem Status. Menschen unterschiedlichster Herkunft kommen im Namen Jesu zusammen, werden durch ihn zu Brüdern und Schwestern.
"Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus." Dieses Wort des Paulus aus dem Galaterbrief (Gal 3,28) will auch uns immer wieder von neuem dazu bewegen, ohne Ansehen der Person aufeinander zuzugehen in der Gemeinde, gegenüber Fremden, als Männer und Frauen in der Kirche ",... denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus."

Von Ephesus nach Rom
Die letzte Station ihres Weges ist wieder Rom, auch dort leiten Priszilla und Aquila eine Hauskirche. Am Ende des Römerbriefes (16, 3-5) bezeugt Paulus nicht nur, dass "Priska und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus" in Rom abermals eine Hausgemeinde gegründet haben, sondern auch, dass beide ihr Leben für ihn eingesetzt haben. "Denen nicht allein ich danke, sondern alle Gemeinden unter den Heiden", fügt Paulus hinzu.
Wenn wir diese Aussage bedenken und uns außerdem bewusst machen, dass die Hausgemeinden die wichtigsten Zentren der urchristlichen Mission gewesen sind, dann wird noch deutlicher, wie bedeutsam dieses judenchristliche Ehepaar für die Urchristenheit gewesen ist. Die Erinnerung, die die Bibel an sie bewahrt hat, zeugt von einer für die damalige Zeit gar nicht selbstverständlichen gleichberechtigten Gemeinschaft von Mann und Frau sowohl im Beruf als auch bei ihrem engagierten Einsatz für die Ausbreitung des christlichen Glaubens. Auch der Kirchenvater Johannes Chrysostomos (354-407), der später Bischof von Konstantinopel war, weiß von Priszilla zu berichten. Er schreibt bewundernd über sie: "Sag an, welche Königin hat solchen Glanz erlangt, welche wird besungen wie diese Frau des Zeltmachers?" Ihrer religiösen und theologischen Kompetenz traut er es zu, dass sie die unbekannte Verfasserin des Hebräerbriefes ist. Zu seiner Zeit muss das Wissen um ihre Bedeutung noch sehr lebendig gewesen sein.
Es ist gut und wichtig, wenn wir uns Priszilla und Aquila heute wieder ins Gedächtnis rufen als unsere Geschwister im Glauben.
Ihr Leben war geprägt vom Unterwegssein - auch Vertreibung gehörte dazu. Immer wieder mussten sie Bekanntes und Vertrautes zurücklassen und neu anfangen, zuerst in Rom, dann in Korinth und Ephesus und wieder in Rom. Das war sicherlich nicht immer einfach!
Dennoch sind sie ihrem Glauben an Jesus Christus treu geblieben. Solche Menschen brauchte die Kirche damals in der ersten Zeit ihres Werdens, nicht weniger braucht sie sie heute in unserer Zeit!

Ihre Pfarrerin
Gudrun Bosch

Bild: röm. Fresco aus Pompeji