wir stellen vor

Gabriele Walcher-Quast Gabriele Walcher-Quast ist ein Jahr jünger als die neue Ulmer Prälatin. Im Gegensatz zu Gabriele Wulz, die aus dem hessischen Darmstadt stammt, ist sie eine waschechte Schwäbin: aus Unterbalzheim im Illertal. An dem geschichtsträchtigen 1. Mai, dem "Tag der Arbeit", tritt die Theologin ihr Amt als Industrie- und Sozialpfarrerin für die Ulmer Prälatur an.

Seit 1959 waren in unserer Region Männer mit der Aufgabe betraut, im Auftrag der Evangelischen Akademie Bad Boll die Kirche in der Arbeitswelt ins Spiel zu bringen. Zuletzt Rolf Engelhardt, inzwischen Paulus-Gemeindepfarrer. Und jetzt eine Frau. Sie ist nicht ganz unvorbereitet. Bei Iveco stand die zupackende Vierzigjährige am Fließband bei der Montage von Bremszylindern, als sie noch nichts von ihrem neuen Job ahnte.
Mit ihrem Mann hatte sie sich 1994 die Pfarrstelle in Ersingen bei Erbach geteilt und nahm 1996 Erziehungsurlaub nach dem dritten Kind. Ihr Praktikum bei Iveco, wo sie sich in der Personalabteilung und im Betriebsratsbüro umsah, gehörte zu einer Fortbildung, die ihr den Wiedereinstieg ins volle Pfarrersleben ermöglichen sollte.

Bei der DASA hospitierte sie zu einer Zeit, als dort viele Arbeitsplätze überflüssig wurden. Das Eintreten für Gerechtigkeit und Solidarität sei schon eine Triebfeder gewesen, als sie sich für das Theologiestudium entschieden habe, erinnert sich die Oberschwäbin. Und noch früher, in der Metzgerei ihres Großvaters, übte sie hinter dem Ladentisch den Umgang mit Menschen auf der anderen Seite der Theke. Zugleich machte die Schülerin erste Erfahrungen mit den Spielregeln des Wirtschaftslebens. Begriffe wie Risiko oder Kapital füllten sich mit Leben, lange vor der BSE-Krise.

Realistisch sieht die mutige Theologin voraus, dass sie an Nahtstellen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Interessen auch mal zwischen die Stühle geraten kann. Im Gegensatz zu ihren Kollegen in der ersten Nachkriegszeit, den französischen Arbeiterpriestern, sehen es die deutschen Industriepfarrer als ihre Aufgabe an, nicht einseitig zu wirken, sondern mit allen Kräften der mächtigen Wirtschaft Kontakt zu halten. So ist es kein Zufall, dass Frau Walcher-Quast mit der Unternehmerin Ruth Merckle (ratiopharm), die einige Jahre dem Rat der EKD angehörte, im Gespräch ist.

Während ihrer Mitarbeit in einem Pilotprojekt der Uni Heidelberg hat die Pfarrerin viel gelernt über die Wechselbeziehungen zwischen Kirche und Arbeitswelt. Das christliche Menschenbild sei - und das ist ihr sehr wichtig - nicht an der Leistung allein orientiert. Um eben diese Problematik ging es, als sie vor Ort bei der Ulmer DASA verfolgen konnte, wie das "Frei-Setzen" von Menschen vor sich geht, die ihren vertrauten Arbeitsplatz verlieren.

Schon immer war das Brückenbauen Schwerpunkt der Boller Akademie. Auch die neue Sozialpfarrerin wird in Situationen geraten, wo sie Partei ergreift für Benachteiligte. Zu ihren Gesprächspartnern gehören natürlich Gewerkschafter. Aber sie kann keine Gewerkschafterin im Talar sein, zumal es auch innerhalb der Kirche kontroverse Meinungen über kirchliches Engagement in der Wirtschaft gibt. Sie wird Fortbildungs-Workshops anbieten, die auf konkrete Anfragen aus den Betrieben eingehen und vielleicht an das anknüpfen, was sich in den 90er Jahren bewährt hat, beispielsweise Seminare für berufstätige Alleinerziehende oder für Raumpflegerinnen.

Für die berufstätige Mutter wird ihre Familie weiterhin "Hobby Nummer Eins" bleiben. Weitere Vorlieben der beherzten Frau, die gern auf andere Menschen zugeht, sind Sport und Theater spielen.

Heinz Görlich