kraftvoll
"Wenn wir zusammenhalten, können die da oben machen was sie
wollen!" So lautet ein beliebter Satz aus der"Ökumene
von unten". Gemeint ist damit, dass die Menschen an der
Basis, die Ökumene im alltäglichen Leben benützen und brauchen,
durch persönliches Engagement vorantreiben, weil sie es als
unumgänglich betrachten und sich von Verlautbarungen und
Papieren nicht zurückhalten lassen. Konfessionen verbindende
Ehen, Freundschaften zwischen Menschen, Klassengemeinschaften
oder die um den Frieden Besorgten sind die Mahner und Erinnerer
für die Ökumene. Eine Welt, die in allen Teilen zusammenwächst,
kann und darf sich nicht über den Glauben an Jesus Christus
auseinander dividieren lassen. Eine Christenheit, die unter
immer schwieriger werdenden gesellschaftlichen Bedingungen lebt,
kann sich nicht den Streit über theologische Dogmen leisten, die
einem gesunden Menschenverstand kaum mehr vermittelbar
sind.
Das was uns eint ist nicht das Kirchenrecht, ist nicht die Art
und Weise, wie Gottesdienst gefeiert wird und auch nicht die
Sprachfeinheit der Theologen, sondern Jesus Christus, der Herr
der Kirche, Gott selber in der Dreieinigkeit. Das verstehen die
Menschen. Alles andere können viele nicht mehr nachvollziehen.
verheißungsvoll
In Neu-Ulm steht dieses Bemühen allerdings nicht nur auf der
privaten Initiative ein paar ganz engagierter
Gemeindemitglieder, sondern auf einem ganz offiziellen
Standbein. Es heißt: ökumenische Stadtrunde. Regelmäßig
treffen sich die evangelischen und katholischen Gemeinden aus
dem Neu-Ulmer Stadtgebiet und beratschlagen über gemeinsame
Wege, gemeinsame Aktionen und übergreifende
Informationen.
Aus allen katholischen und evangelischen Gemeinden im
Stadtgebiet kommen geistliche und ehrenamtliche
Gemeindemitglieder in dieser Runde zusammen. Somit diskutieren
nicht nur die Pfarrer unter sich und so heißt es gelegentlich an
die Adresse der Hauptamtlichen: "Jetzt redet doch mal so,
dass wir das auch verstehen!" Eine gute Übung für die
Ökumene.
Und wenn soziale oder politische Probleme anstehen, dann gehen
wir auch zusammen zu unserer Oberbürgermeisterin, bei der wir -
wie übrigens im gesamten Stadtrat - immer ein offenes Ohr
finden.
maßvoll
Natürlich gibt es auch Ängste in einem solchen Kreis: Wollen
"die Anderen" uns über den Tisch ziehen? Was sagt
unsere Kirche, wenn wir hier so eng zusammensitzen? Können wir
dies oder das beschließen oder müssen dabei andere Gremien auch
noch gefragt werden? Wie reagieren unserer Gemeindemitglieder?
Können wir das miteinander tun, ohne Schaden anzurichten?
Jede dieser Zusammenkünfte ist auch immer eine Lerneinheit. Was
heute zu machen geht, kann morgen im ökumenischen Auf und Ab
riskant sein. Nicht alles was man ausprobiert, ist auch gut
und manches tut man nur einmal und ist froh, dass es gelungen
ist.
Ökumene geht nicht mit der Brechstange. In der Ökumene
geht es um Menschen, um geschichtliche Entwicklungen und um die
Wurzel unserer Seele.
Deshalb ist seelsorgerliche Zurückhaltung an manchen Stellen
nötig.
So entsteht eine Mischung aus mutigem Wagen und vorsichtigem
Abwägen. Nur das was geht... soll auch gemacht werden. Aber
die Grenze dessen darf auch nicht ohne Druck nach vorne bleiben.
leid- und hoffnungsvoll
Viele Leute fragen: Wie sollen denn die Kirchen überhaupt
wieder zusammenkommen? Gibt es da nicht so große Unterschiede,
dass es gar keine realistische Aussicht auf Erfolg gibt? Muss
denn nicht eine Seite ihren Glauben aufgeben, wenn es zur
Einheit kommen soll?
Die ökumenische Stadtrunde ist ein
Hoffnungszeichen. Wir haben gelernt, dass die erste Frage
nicht heißt: Wie schaffen wir schnell die Einheit? Die
wichtigeren Fragen heißen: Was machst Du? Kann ich Dich
verstehen? Wo gibt es Gemeinsamkeiten, die wir längst
haben?
Niemand soll und darf gezwungen werden seinen Glauben
aufzugeben. Aber gerade der Glaube an die von Gott gegebene
Freiheit in Jesus Christus lässt uns ohne Angst sehen, was an
anderen Formen des Glaubens an diesen Gott wichtig ist.
Natürlich leiden wir auch an der Trennung, an den
Unterschieden, an dem was nicht gemeinsam geht. Aber Leiden
gehört zum Leben auch im Glauben. Denn daneben steht eine
Hoffnung, die hinunterreicht bis zu unserer gemeinsamen Wurzel:
Dem Dreieinigen Gott, der in Jesus Christus unser Bruder
wurde, nicht evangelischer Katholik, sondern Bruder.
Wir feiern miteinander Gottesdienste, haben ein ökumenisches
Ehevorbereitungsseminar, eine jährliche Ökumene-Tagung zu
aktuellen Themen und ein regelmäßiges Gespräch zusammen.
Das tut nicht nur gut, sondern ist ganz bestimmt auch im Sinne
unseres HERRN.