Zum vierten Mal innerhalb von knapp 4 Jahren wurde ein Ulmer Theologe Bischof der knapp 2,5 Millionen württembergischen Protestanten: Dr. Gerhard Maier (63), seit 1995 Prälat in Ulm. Wie kam das?
Wieder einmal hatten sich Oberkirchenrat und Landessynode als unfähig erwiesen, ihre Pflicht zu tun. Die Männer und Frauen wählten und wählten.
Drei Kandidaten standen zur Wahl. Doch die Synode konnte sich nicht einigen. Aus dem Debakel von 1993, schon damals stand auch Dr. Maier zur Wahl, hatten sie nichts gelernt. Es blieb bei der unrealistischen Zwei-Drittel-Mehrheit als MUSS. Beim zweiten Anlauf war 1994 Eberhardt Renz, in Neenstetten geboren und aufgewachsen und - wie Gerhard Maier - Schüler des Humboldt-Gymnasiums, zum Bischof gewählt worden.
Auch diesmal klappte es mit dem Rezept "Wenn alle Stricke reißen, muss ein Ulmer her". Dr. Maier sagte Ja - und es wurde tatsächlich gewählt. Wieder als einziger Kandidat. Immerhin befinden sich unter sechs Oberhirten in über 40 Jahren nur zwei Nicht-Ulmer, von denen indes einer, Helmut Claß, in Geislingen zur Welt kam, das Jahrhunderte lang zum Ulmer Stadtstaat gehörte, der bis Süßen reichte. Und sein Onkel Ernst Claß war 1933 als Münsterpfarrer nach Ulm gekommen und geblieben, wo er hochbetagt und -beliebt in den 80er Jahren starb.
Der erste in der "Ulmer Kandidaten-Reserve" war
1962 Prälat Dr. Erich Eichele. Immerhin hatte er zuvor elf
Jahre in der Ulmer Adlerbastei (neben der Dreifaltigkeitskirche)
residiert, bevor er umsiedelte in die Höhen der Stuttgarter
Gänsheide (Sitz der Kirchenleitung). Seitdem gibt es diese
"Tradition", ausgerechnet in der einzigen an der
Landesgrenze gelegenen Prälaturstadt einen Bischof zu
schmieden. Prälat Hans von Keler musste 1979 nach nur
drei Jahren sein am Donauufer gelegenes Domizil wieder
verlassen, um als erster
Nicht-Schwabe Landesbischof zu werden. Er stammt aus den
Beskiden, dem heutigen Süd-Polen. Seine Frau fühlte sich in Ulm
auch deshalb so wohl, weil sie aus dem alten Ulmer
Patriziergeschlecht der Besser stammt, nach dem eine Kapelle im
Münster benannt ist.
Ja, das Münster. Es erlebt am 28. April ein große Stunde.
Zum ersten Mal wird in ihm ein Präses in sein Amt eingeführt,
da die Stuttgarter Stiftskirche renoviert wird. Präses hießen
seit 1920 zunächst die Kirchenbosse. Bis dahin war der König
zugleich summus episcopus (höchster Bischof).
Karriere-Start in Ulm
Nicht nur Karajan stand einst in Ulm am Anfang seiner Karriere.
Auch der wie Gerhard Maier in Ulm geborene Eberhard Stammler
lernte sein Handwerk unter anderem in Blaubeuren als
Gemeindepfarrer seit 1941. Der in Stuttgart lebende Theologe
gehört zu den bekanntesten evangelischen Publizisten in
Deutschland. Und Dr. Gerhard Meier, vormals Pfarrer in Reutti,
war (Neu-Ulmer) Gründungsvater der brücke bevor er auf den
ersten evangelische Publizistik-Lehrstuhl in Erlangen berufen
wurde.
Nicht verschwiegen sei schließlich, dass Ulm beliebt bleibt, wenn der Lebensabend ruft. Einige Beispiele: Der Münsinger Dekan und frühere Münsterpfarrer Walter Gölz † entschied sich ebenso wie sein Crailsheimer Kollege Theo Engels † (vorher Blaustein) für Ulm als Ruhestandssitz. Genauso hielten es der Ulmer Prälat Helmut Aichelin und sein Heilbronner Kollege Hans Kümmel (zuvor Ulmer Dekan) wie auch der Weinsberger Dekan Christoph Planck (bis 71 Pfarrer in Böfingen).
Hans von Keler gab es mir damals schriftlich und auch Dr. Gerhard Maier, dessen Frau Gudrun die brücke' das schöne Foto des 17-jährigen HumboldtGymnasiasten verdankt, wäre "sehr viel lieber in Ulm geblieben", wie er mir versicherte und hätte seine theologische Arbeit fortgesetzt. Maier ist seit zehn Jahren Gast-Professor an der theologischen Fakultät in Heverlee/Leuven (Belgien). Der neue Bischof ist Vater von vier Söhnen und besucht gern Ausstellungen, Kirchen und Bauwerke der Antike, vor allem in Italien. Gudrun Maier ist auch in Ulm geboren, sie hieß damals Meißner.
Heinz Görlich
Bilder: Ev. Medienhaus und privat