Voneinander lernen - miteinander beten - gemeinsam handeln
Zum Weltgebetstag am 2. März 2001 aus Samoa

Fast wie der Traum vom Paradies könnte uns EuropäerInnen Samoa erscheinen: grüne Inseln vulkanischen Ursprungs mit weißen Stränden und hohen Palmen inmitten der blauen Weite des Pazifik. Zwischen Australien, Neuseeland und Südamerika am Äquator und östlich der Datumsgrenze gelegen erstrecken sich die 17 Inseln (neun davon bewohnt) der beiden Inselstaaten Amerikanisch-Samoa und West-Samoa (seit 1997 "Samoa"). Samoa, das Land aus dem die Gebetsordnung für den WGT 2001 kommt, besteht aus zwei größeren und acht kleineren Inseln und ist flächenmäßig ungefähr so groß wie das Saarland.

Im Weltbankmaßstab gilt Samoa als eines der am wenigsten entwickelten Länder. Arbeitsplätze sind rar und es gibt nur wenig Industrie. So sind auf der Suche nach Arbeit viele SamoanerInnen nach Neuseeland, Australien und in die USA ausgewandert. Die Sehnsucht nach den heimischen Wurzeln aber bleibt oft lebenslang bestehen, ebenso wie die Verpflichtung, die Familie auf Samoa finanziell zu unterstützen. Diese Geldspendungen und Entwicklungshilfe aus dem Ausland sind wichtige Einkommensquellen. Ansonsten basiert die Wirtschaft auf Landwirtschaft und auf dem Reichtum der Natur. Besonders wichtig sind die Kokosnuss und die Kakaobohne. Geringe Oberschüsse werden exportiert.

Obwohl das enorme Außenhandelsdefizit ein großes Problem darstellt, muss auf Samoa niemand hungern und es gibt keine Verelendung. Das hängt damit zusammen, dass sich 80% des Landes im Besitz der Großfamilien (aiga) befinden und nicht verkäuflich sind. Auf diesem Land wird das zum Leben Notwendige angebaut.

Frauen haben auf Samoa abhängig von Status und Familienstand unterschiedliche Aufgaben. Sie begrüßen und versorgen Gäste, sie fertigen die "feinen Matten" an, das wichtigste Tauschgut auf Samoa. Frauenkomitees sind im Dorf für Sauberkeit und Hygiene verantwortlich und betreuen örtliche und regionale Krankenstationen. Außerdem sind sie aktiv im Umweltschutz. Mittlerweile bekleiden einzelne Frauen hohe Ämter in Politik und Verwaltung und manche sind erfolgreich im Geschäftsleben. Darüber hinaus gibt es kirchliche Frauenvereinigungen, deren Mitglieder Jugend- und Frauengruppen leiten sowie Sonntagsschulen, in denen Lesen, Rechnen und Handarbeiten unterrichtet werden.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind die SamoanerInnen zu 99% Christinnen und Christen. Das Staatsmotto lautet: "Samoa ist auf Gott gegründet". Täglich findet in den Familien die Abendandacht in den "fale", den traditionellen ovalen offenen Holzpfostenhäusern statt. Sonntags besuchen sie in festlicher weißer Kleidung zum Teil mehrmals die Gottesdienste.

Insgesamt wird die samoanische Lebensart bestimmt durch das dörfliche Leben in der Großfamilie, die Unverkäuflichkeit des Landes, die große Bedeutung des Christentums und die hohe Wertschätzung der Gastfreundschaft und des Miteinander-Teilens. Diese Lebensweise wird aber durch zunehmende Einflüsse westlicher Industrienationen auf politischem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet immer mehr in Frage gestellt. Vor allem junge SamoanerInnen leben unter hohem Erwartungsdruck. Einerseits sollen sie sich im traditionellen System der Großfamilie ganz in den Dienst der Gemeinschaft stellen, andererseits heben westliche Einflüsse die Individualität hervor und propagieren die Anhäufung von Privatbesitz.

Am 2. März, wie immer am ersten Freitag im März, wird weltweit in rund 180 Ländern von Millionen Christinnen und Christen aller Konfessionen nach der in Samoa erarbeiteten Gottesdienstordnung gebetet und gesungen. Viel lernen wir von den Samoanerinnen über die Schönheit der Inseln, aber auch über die sozialen und ökologischen Probleme, die durch den Einfluss westlicher Industrienationen entstehen. Die Weltgebetstagsfrauen sprechen diese Probleme nur andeutungsweise an, weil es in ihrem Land nicht üblich ist, über problematische Aspekte und Entwicklungen offen zu reden. Sie wollen lieber den anderen Frauen auf der ganzen Welt von ihrer Kava-Zeremonie erzählen, dem traditionellen Begrüßungsritual, das bei allen wichtigen Anlässen begangen wird.

Wie kann diese Zeremonie aus Samoa in die jeweiligen Gottesdienste vor Ort übertragen werden? Wo entdecken wir jeweils eigene Wurzeln und Symbole? Zu dieser reizvollen Herausforderung kommt das gemeinsame Gebet, das schließlich einmündet in gezieltes Handeln. Hier lernen wir ganz praktisch von zwei biblischen Frauen, die im Mittelpunkt der Gebetsordnung stehen: Königin Ester (Buch Ester 4,10-17) und die Kanaanäerin (Mt 15,21-28). Diese Frauen werden aus ihrem Glauben heraus aktiv. In tödlicher Gefahr kämpfen und beten sie für sich und die Rettung derer, die ihnen anvertraut sind. Sie sind für die Frauen auf Samoa und für alle Christinnen weltweit ermutigende Vorbilder, miteinander zu beten und gemeinsam zu handeln.

Brigitte Knall-Bode, Pfarrvikarin, Ulm