wir stellen vor

Gudrun Bosch Gudrun Bosch (37) gehört zu der Generation von weiblichen Theologen, die von ihrer Gemeinde als Pfarrerin akzeptiert wird. Nur ein einziges Mal erlebte sie es anders: "Wo ist denn der Herr Pfarrer?" fragte erstaunt ein Mann, als sie vorn stand und gerade die Andacht im Altenheim St. Anna beginnen wollte... Anders sah es noch vor 20 Jahren aus, als für die aus Börslingen stammende Schülerin immer klarer wurde, dass sie eines Tages ihre Erfahrungen als Kinderkirchhelferin nutzen und für Erwachsene auf die Kanzel steigen will. "Nur - es gab damals noch kaum Pfarrerinnen - als Vorbilder für mich."
Drei Theologinnen halfen in den letzten Jahren des alten Jahrhunderts die Münstergemeinde am Laufen zu halten: Gudrun Bosch, Eva Deimling und Margot Lenz. Frau Deimling verließ dieses Trio auf Zeit inzwischen, während Frau Bosch Ulm erhalten bleibt: Sie ist die erste Frau auf einer festen Münsterpfarrstelle, wenn es auch eine halbe, eine Teilzeit-Aufgabe ist. Die Gleichwertigkeit von Frauen ist für die erste ständige Münsterpfarrerin nichts Neues. Jesus habe sie vorgelebt und faszinierend sei der humanistische Gedanke der Gleichheit, wie ihn schon das Mittelalter im Münster-Chorgestühl in dieser "wunderbaren Komposition" - und eben im Verhältnis 1:1 - ins Bild gesetzt habe.
Auf ihrem Weg zum Hirtenamt stand ein durchaus sinnvolles - "Umleitungs"Schild. Nach dem Abitur in Langenau lernte sie während ihres Diakonischen Jahres in Stetten/Remstal die Nöte der Mühseligen und Beladenen so gut kennen, dass sie zunächst Sozialpädagogik studierte. Gut beraten, so erinnert sie sich heute, studierte sie nach dem Examen gleich weiter, erhielt am Evangelischen Stift in Tübingen ein Stipendium, ging für ein paar Semester nach Berlin und machte am Neckar ihre Dienstprüfung.
Ihr Mann lebte bereits in Ulm und so ging die Vikarin vor sechs Jahren nach Söflingen. 1997 folgte ein Jahr in Heidenheim, wo sie das im ersten "Studiengang" Gelernte an den Mann, die Frau und die Kinder bringen konnte: Zu ihren Gemeindegliedern gehörten viele Spätaussiedler. Ihre pädagogische Ader kommt ihr heute auch zugute im Umgang mit ihren Konfirmanden im 11. Münsterbezirk und in der Gruppe für Trauernde im Haus der Begegnung (HdB), deren Einzugsgebiet über Ulm hinausreicht. Die in ihrer Nachbargemeinde angesiedelte Vesperkirche begleitet sie gern und freut sich, wenn sie an den gedeckten Tischen in der Pauluskirche vertraute Gesichter ihrer Gemeinde entdeckt und mit ihnen ins Gespräch kommt.
Auf die Zukunft der Kirche angesprochen erzählt sie von Taizé. Das von den dortigen Brüdern mit Fröre Roger gelebte einfache und zur Tat werdende Christentum in guter ökumenischer Gemeinschaft erlebt sie als glaubwürdig und freut sich auf die Brüder aus Burgund, die am 16. November im Münster eine Brücke nach Taizö bauen wollen. Das Münster ist auch der Ort, wo sie (die Tochter eines Kraftfahrers) spürt, was die Menschen heute von der Kirche erwarten: "Es gibt ein großes Bedürfnis nach Spiritualität und Gemeinschaft - nach Stille!" Viele Touristen nehmen gern, so beobachtet sie, das werktägliche Angebot zu einer Andacht um elf mit Orgelmusik, "Wort zum Tag" und Bildmeditation an. "Es tut ihnen gut zu bleiben und zuzuhören..."

Heinz Görlich