"Das ist doch keine Gewalt..."
Mitarbeiterinnen des Vereins Frauen helfen Frauen berichten über ihre Arbeit

"Das ist doch keine Gewalt, wenn der Mann mal bloß so 'n bisschen rumschreit. Was braucht die Frau auch abends weg wollen, die ist doch verheiratet!".
"Du spinnst wohl, ich würd' mir von niemandem vorschreiben lassen, wann ich wohin gehe!"

Sevim (21) und Kirsten (32) sind Teilnehmerinnen eines Umschulungsprojektes und besuchen gemeinsam mit ihren Mitschülerinnen das Beratungszentrum des Vereins Frauen helfen Frauen Ulm.
Auf die Frage, wo denn für sie persönlich Gewalt beginne, entflammt eine hitzige Diskussion.
Als die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses und der Beratungsstelle dann über die Schicksale einzelner Frauen berichten, wird es ruhig in dem hellen und freundlichen Beratungsraum - sehr ruhig sogar.
Berichte zum Beispiel von Anastasia, die im Ulmer Frauenhaus untergekommen ist.
"Ich hatte schon am Anfang ein mulmiges Gefühl, obwohl ich meinen Mann liebte", hatte sie den Mitarbeiterinnen erzählt Er konnte so lieb sein, und dann im nächsten Moment hat er mich wegen irgend einer Kleinigkeit fertig gemacht. Weil der Kaffee zu heiß war oder das Kind etwas verschüttet hatte. Wir konnten nie genau wissen, wann er ausflippte. Meine Mutter sagte mir, das wäre normal, so wären die Männer halt. Das wurde dann immer schlimmer - er gab mir kein Geld mehr, er fing an mich zu schlagen, er zwang mich zum Sex. Erst als er dann auch die Kleine schlug, floh ich mit dem Kind ins Frauenhaus".

Leben im Frauenhaus
Anastasia ist kein Einzelfall: Etwa 75 Frauen und Kinder finden jährlich Schutz und Unterkunft im Ulmer Frauenhaus.
Durchschlafen ohne Angst vor Misshandlung, Gespräche mit Menschen, die ihnen wohl wollen - dies mussten die Frauen und Kinder lange entbehren. Jetzt darf es sein.

Doch neben der Entlastung durch die geschätzte Umgebung gibt es für die Frauen auch viel zu organisieren: Behördengänge, Wohnungssuche, Schul- und Kindergartenwechsel...

Dazu kommt der psychische Stress: Plötzlich ist die Frau allein für sich und die Kinder verantwortlich, immer wieder kommen die Erinnerungen an das Erlebte hoch.
Das Gespräch mit den Mitarbeiterinnen und deren Unterstützung stellt eine große Entlastung für die Frauen und die Kinder dar.
Häufig berichten sie zum ersten Mal über ihre Misshandlungen, über die erlebte Todesangst.
Und immer wieder erzählen die Frauen, dass sie sich schämen für das, was ihnen angetan wurde - weil sie sich verantwortlich fühlen für die Familie. Und weil unsere Gesellschaft Frauen nach wie vor allein für das "Familienglück" verantwortlich macht.

Die Spirale der Gewalt
Die Spirale der Gewalt

Beratungszentrum
Neben dem Frauenhaus bietet der Verein auch ambulante Beratung für Frauen an, die körperliche, seelische oder sexuelle Gewalt erlitten haben.

"Was glaubt Ihr, was sind das für Frauen, die vergewaltigt werden?" Nach ein paar Schrecksekunden legen die Schülerinnen, die das Beratungszentrum kennenlernen wollen, so richtig los:
"Frauen mit Minirock und so - die haben's auch provoziert", glaubt Eva. Natascha weiß:"Da knallt den Jungs halt die Sicherung durch - ich geh' abends nie allein weg."
Damit treffen die jungen Frauen die gängigen Vorurteile über sexuelle Gewalt, und man kann es ihnen nicht verübeln: Werbung und Medien leben es täglich vor. Genau diese Stigmatisierungen aber sind es, die Opfer von sexueller Gewalt zusätzlich verletzen und zutiefst verunsichern.

Fast alle Frauen haben Schuldgefühle, vor allem dann, wenn der Täter ein Bekannter, Verwandter oder gar der eigene Partner war - was in mehr als dreiviertel der sexuellen Gewalttaten der Fall ist! Dabei gehen die Täter in der Regel geplant und zielstrebig vor: Der Großteil der sexuellen Übergriffe wurde vorbereitet, die Hilflosigkeit der Opfer einkalkuliert.

Hilfsangebote
Das Beratungszentrum bietet auch Frauen, die im Erwachsenenalter oder in der Kindheit sexueller Gewalt ausgesetzt waren, einen geschätzten Raum, um über die massiven Angst- und Ohnmachtsgefühle, die einstürmenden Erinnerungen, Beziehungsprobleme oder andere Folgen der Tat zu reden.
Wenn eine Frau sich zur Anzeige entschließt, begleiten die Sozialpädagoginnen sie auf Wunsch von der Anzeigenerstattung bei der Polizei bis hin zum Gerichtsprozess.

Nach wie vor ist sexuelle Gewalt ein Thema, das gesellschaftlich weitestgehend tabuisiert wird. Deshalb legt der Verein großen Wert auf Öffentlichkeitsarbeit.
Einen Teil dieser Arbeit stellen Infoveranstaltungen und Workshops für Schulen und interessierte Institutionen dar.

"Bow, das war echt voll interessant", bedankt sich Kirsten nach der Veranstaltung. "So hab' ich das noch nie gesehen. Und ganz echt: Ich glaub, wenn mir mal so was passiert, dann komm' ich zu Euch. "
Ein schönes Kompliment eigentlich.
Ganz echt!

Barbara Frey

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