Schräg gegenüber steht seit Tagen ein kleiner Korb auf der Steinmauer. Darin: Äpfel. Dazu ein von Hand geschriebener Zettel - ",ungespritzte Äpfel zum Mitnehmen". Es werden nicht viele mitgenommen ...
Ich kannte einen, der war als Junge immer stolz darauf, den Apfelbutzen bis auf den Stängel aufzuessen: Nicht aus Gefräßigkeit, sondern weil das harte Kerngehäuse eben auch etwas war - und außerdem brauchte man sich nicht um die "Entsorgung" zu kümmern. Den kleinen Stiel konnte man dann getrost wegwerfen.
Schon ein merkwürdiges Bild: Die Älteren denken sicher, dass da noch viel zu viel dran geblieben ist; die anderen meinen vielleicht, dass ein Bild zum Erntedank doch einen ganzen Apfel vor dem Verzehr zeigen müsse.
Mag beides sein - ich jedenfalls habe dieses Bild ausgewählt, weil es eine Geschichte erzählt. Von dem Jungen, der sich früher auf der Wiese gebückt hat, den Apfel ein bisschen zwischen den Händen und am Hemd rieb, prüfte, ob er auch nicht wurmstichig war und dann herzhaft hineinbiss.
Und er hat dabei am Baum hinauf geschaut, der um ein vielfaches höher und älter ist als er selbst; er hat sich erinnert, wie gut es tat, im Hochsommer unter einem Baum Schatten und Erfrischung zu finden; und er hat gespürt, dass es das Leben nicht schlecht mit ihm meint.
Dass jeder und jede von uns nach wenigen Schritten aus dem Haus einen Apfel vor den Füßen findet, ist uns selbstverständlich - und doch wissen es viele von uns noch, wie wertvoll diese Äpfel einst waren, und sie bücken sich selbst heute noch nach dem Boskoop oder der Luike. Na ja, so richtig nachvollziehen können wir Jüngeren das wohl nicht mehr, aber wir können es als Erinnerung daran nehmen, dass eben letztlich doch nicht alles nur selbstverständlich ist.
"Seht die Vögel unter dem Himmel an; sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?" fragt Jesus in seiner Bergpredigt.
Gott versorgt euch, darum sorget nicht; aber nehmt das Selbstverständliche auch nicht nur selbstverständlich. So kann uns sogar ein einfacher Apfelbutzen zum Erntedank einladen.
Ihr Rolf Engelhardt
Pfarrer an der Pauluskirche in Ulm
Einkehr
Bei einem Wirte wumdermild,
da war ich jüngst zu Gaste;
ein goldner Apfel war sein Schild
an einem langem Aste.
Es war der gute Apfelbaum,
bei dem ich eingekehret;
mit süßer Kost umd frischem Schaum
hat er mich wohl genähret.
Es kamen in sein grünes Haus
viel leichtbeschwingte Gäste;
sie sprangen frei umd hielten Schmaus
und sangen auf das beste.
Ich fand ein Bett zu süßer Ruh'
auf weichen grünen Matten;
der Wirt, er deckte selbst mich zu
mit einem kühlen Schattem.
Nun fragt' ich nach der Schuldigkeit,
da schüttelt er den Wipfel.
Gesegnet sei er allezeit
von der Wurzel bis zum Gipfel.
Ludwig Uhland