Passionszeit für die Fußballfan-Gemeinde des SSV Ulm - seit der bitteren Niederlage gegen Bayer Leverkusen. Jammerschade, nach dem fantastischen Höhenflug vor der Weihnachtszeit ... Müssen die "Spatzen" dran glauben? Schaffen sie den Klassenerhalt? - Wie schrieb der "kicker" vor Beginn der Saison: "Nichts ist unmöglich. Sie sind durchmarschiert. Regionalliga, Zweite Liga und nun Erste Bundesliga. Ein Himmeifahrtskommando? Kaum einer gibt dem SSV eine Chance. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt." Stimmt, und Hoffnung hat die Mannschaft. Sie glaubt an sich - und nicht nur an sich selber. Dies brachte ein Interview ans Licht, zu dem uns die Vereinsführung ("vergoals Gott!") ihren Segen gab. Tür und "Tor" öffnete der 'brücke' Neu-Ulms "Ersatzmesner" Fritz Heinrich, der seit 54 Jahren die Ulmer Spiele(r) treu begleitet und 1987 Mannschaftsbetreuer war. Er spa(t)zierte mit mir ins Stadion, wo wir mit Reinhold Popp einen Lehrer"stationierten", der für diesen "Glaubens-Artikel" als Dolmetscher diente. Denn wie mir seitens der Pressestelle im Vorfeld geraten wurde: "Wenn es um Religion geht, fragen Sie am besten bei unseren Ausländern nach." Gesagt - getan.
Als Ersten passten wir den brasilianischen Dribbelkünstler Leandro Fonseca ab. Frisch geduscht gab er uns - wie alle befragten Spieler - bereitwillig Auskunft, welche Rolle der Glaube (ganz allgemein) für einen Fußballprofi spielt. Für ihn selbst, betonte der Ulmer "Hoffnungsträger", sei der Glaube "wichtig". Er bete täglich zu Gott - jedoch als "Privatmensch", nicht um sportlicher Erfolge willen. Wenngleich, wie der portugiesische Abwehrrecke Rui Marques ergänzte, der Glaube den "Teamgeist" durchaus fördern kann im Mit- und Füreinander. Evans Wise, Nationalstürmer von Trinidad-Tobago, bestätigte dies aus eigener Erfahrung. In seiner Nationalelf werde vor und nach jedem Länderspiel gemeinsam gebetet - vor allem darum, "dass alle gesund bleiben". Beten gegen Treten? Dabei gelte ihre Fürbitte auch den verletzten Spielern - zur guten Genesung. Beispielhaft: Zeit für Mitgefühl im harten Konkurrenzkampf! Wise weiß, wie sehr der Glaube an Gott "aufbauen" kann. In seiner Jugend, gestand er, habe er sich noch an "Glücksbringer" geklammert, sei aber aus diesem Alter längst "herausgewachsen". Klarer Fall, "abergläubische Praktiken verbietet der christliche Glaube", wie der holländi- sche Torjäger Hans van der Haar erklärt. Er halte sich lieber ans Evangelium und ans Gebet. Sein Sturmkollege, der australische Auswahlspieler David Zdrilic (Sohn kroatischer Eltern), pflegte einst sogar vor jedem Fußballspiel einen Gottesdienst zu besuchen, "was hier leider nicht möglich ist". Doch zieht es ihn in Ulm noch regelmäßig in die katholische Kirche der kroatischen Gemeinde. Zudem trägt er meist ein Kreuz um den Hals. Wie er bekreuzigt sich auch Mittelfeldregisseur Janusz Gora vor dem Einlauf auf den "heiligen" Rasen. Der elffache polnische Nationalspieler berichtete, dass sein Nationalteam mittlerweile oft - auf Wunsch - von Priestern aufgesucht wird (wenn schon "ihr" Papst - als Mitglied beim FC Barcelona - "fremd geht"...).
Dass nun ein evangelischer Trupp den SSV "heimsuchen" durfte, ist nicht zuletzt dem katholischen Trainer Martin Anderrnatt zu verdanken. Er schuf die Brücke zu den Spielern, stellte uns nicht ins Abseits - und sich unseren Fragen. Er selbst sieht im Glauben eine "Kraftquelle" für all-tägliche Aufgaben und einen Ansporn für ethisches Handeln: "Seid Täter des Wortes" (Jakobus 1,22), oder wie er es ausdrückte: "Glauben vorgeben ist wichtiger als (nur) vom Glauben zu plaudern". Ein glaub-würdiger Satz des Eid-Genossen! Taten der Liebe sind die beste Werbung "Pro Christ". Die Art und Weise, wie ich die Ulmer Profis im Umgang mit ihren Fans erlebt habe, spricht eine eindeutige Sprache - in der Tat, überzeugend! Da beichtet Jungstar Sascha Rösler, dass er seit der Konfirmation nur noch selten zur Kirche geht, aber wie freundlich er kurz darauf auf wartende Kinder zugeht, könnte (selbst) für manche Kirchgänger vorbildlich sein ... Dass die "Spatzen" noch nicht "abgehoben" sind, ehrt sie. Und natürlich geben auch deutsche Spieler Gott die Ehre - wie Dauer(b)renner Oliver Unsöld, der vor jedem Einsatz um himmlischen Beistand bittet. Oder Kapitän Philipp Laux, der Gott als "feste Bezugsperson" achtet. Der ehemalige Ministrant, der zur Zeit eine "Bibelinterpretation" liest, bedauert, dass "viele Menschen nicht offen sind für Gott", obwohl doch "unser Schicksal nicht bloß in unseren Händen liegt". Gerade in Notlagen könne der Glaube weiterheifen - und "Tiefs gehören zum Leben". Ähnlich formuliert es Verteidiger Joachim Stadler, um noch einen evangelischen "Spatz" zu zitieren: "Der Glaube stärkt in Krisen, auch in Krisen wie jetzt." Doch betet auch er nicht um sportliche Siege - lieber für die Familie. "Fußball ist nicht alles!" Ich glaube ihm, so wie ich an diese Mannschaft glaube - aus Passion!
kh
Bilder: K. Haimböck / Atelier Schlieper